Seitdem Orbán 2010 erneut an die Macht kam, hat sich Ungarn grundlegend verändert. 2012 trat das „Nationale Bekenntnis“ in Kraft. Es ist Ungarns erste neue Verfassung nach dem Ende des Kommunismus. Gleichzeitig ist es die Erste, welche unter demokratischen Bedingungen entstand. Orbáns Gegner beschreiben das Land zunehmend in hysterischem Tonfall, was den Grad verdeutlicht, in dem es vom westlich-liberalen Geist abweicht. Sie stellen ihren Misserfolg als Resultat einer autoritären Machtergreifung dar und bleiben in ihren Analysen oberflächlich.
Orbán ist nun insgesamt seit mehr als 16 Jahren an der Regierung. Nachdem die 40-jährige kommunistische Herrschaft 1989 geendet war, gab es eine Übergangsphase bis 2010. In dieser Zeit versuchten die Akteure des alten Establishments, ihre Pfründe zu sichern. Es entstand ein Bündnis aus Kommunisten und linksliberalen Intellektuellen. Trotz des Systemwechsels hatten die altlinken Kader weiterhin erhebliche Macht über die Wirtschaftsbetriebe und die staatliche Verwaltung. Zusammen mit den Liberalen, die sich schon länger mit Akteuren der Zivilgesellschaft vernetzt hatten. Dieses Bündnis hatte gut 20 Jahre die öffentliche Deutungshoheit inne. In diesem Sinne gab es im Ungarn der 90er keinen harten Umsturz. Die bisherigen Eliten aus Politik, Wirtschaft und Kultur blieben zum Großteil im Sattel.
Wie bricht man ein derartiges, einem selbst feindlich gesinntes System verschiedener Machtzirkel auf? Wie kann man politischen Erfolg durch metapolitische Strategien erreichen und verteidigen?
Unter den großen Autoren der politischen Theorie sticht in diesem Fall der italienische Marxist Antonio Gramsci heraus. In seinem 3000-seitigen Sammelwerk, den „Gefängnisheften“, arbeitet er die wichtigsten Aspekte zur Kulturpolitik heraus, darunter: „Hegemonie“, „Konsens“ und der „historische Block“. Hegemonie beschreibt eine langfristige politische, kulturelle und wirtschaftliche Dominanz, die allerdings, anders als bei Lenin, nicht durch einen gewalttätigen Putsch und eine repressive Diktatur erreicht werden soll. Ein breiter gesellschaftlicher Konsens ist nötig, damit die bestehende Ordnung anerkannt und mit „gutem Willen“ umgesetzt wird. Der historische Block bezeichnet die organische und wechselseitige Beziehung zwischen Elite und Volk, die eine Einheit bilden.
In der Demokratie kann es nur dann eine stabile und langfristige Ordnung geben, wenn eine Mehrheit der Bürger aufgrund ihrer Ideale und Ziele ebendiese Ordnung unterstützt. „Metapolitik“ bezeichnet daher den Bereich der Willensbildung, welcher kulturell, im Umfang einer Schul- oder anderweitigen Bildung sowie medial erfolgt. Gramscis Prinzip zielt auf eine möglichst breite Akzeptanz des so kultivierten Zeitgeists.