Nur wer seine Entscheidungen von einer entsprechenden theoretischen Basis ableitet, kann langfristige politische Ziele erreichen. Im Falle von Orbáns Bündnis ist dies das Konzept der Nationalen Zusammenführung. Es gilt, die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen über ein nationales Zugehörigkeitsgefühl zu verbinden. Für die linken und liberalen Kräfte soll sich das Individuum in eine globale Ordnung einfügen und damit aus seiner nationalen und lokalen Rolle gelöst werden. Im Zuge der Globalisierung wird das Konzept des Nationalstaats und noch grundlegenderes in Frage gestellt. Dieser Gegensatz stellt den größten politischen Konflikt unserer Zeit dar.
Gesellschaftlicher Zusammenhalt wird durch familiäre Verbindungen, Religion und gemeinsame Traditionen gestiftet. Spaltend sind hingegen Ideologien, nach denen sich aufgrund von Rasse, Klasse oder sexueller Orientierung verschiedene isolierte Gruppen herausbilden. Spaltenden Kräften entgegenzuwirken, spielt bereits in der Staatstheorie von Thomas Hobbes eine große Rolle. Ohne den Staat als einendes Element seien Chaos, Ungerechtigkeit und Konflikte vorprogrammiert.
Ein Staat funktioniert genau dann harmonisch, wenn die Summe seiner Bürger in gemeinschaftlicher Eintracht zueinander steht. Das heißt, die gemeinschaftliche Bindung ist die Basis für das nationalstaatliche Leben und Handeln miteinander. Diese Gemeinschaft gründet sich auf kollektiven Interessen und Werten.
Die Regierung muss diese Interessen schützen, die gemeinsamen Werte herausstellen und kultivieren. In Ungarn basieren diese Werte vor allem auf dem Christentum. Die Gemeinschaftsglieder des Landes fördern die soziale Zusammenführung. Zu ihnen zählt die Familie, die Ehe, eine Partei- oder Vereinsmitgliedschaft sowie die Zugehörigkeit zu einer Kirche. Man kann zwischen drei Arten der Zusammenführung unterscheiden: zwischenmenschlich, durch Familie, Umfeld oder Freizeit; gesellschaftlich durch Traditionen, Kulturangebote, Berufsleben oder das Schul- und Bildungswesen; und systemisch durch Staat und Politik.
Das nationalkonservative Bündnis in Ungarn hat diesen Prozess der Zusammenführung eingeleitet und möchte ihn auf die gesamte Gesellschaft ausdehnen. Vor allem die Förderung der Familie und der Kinderschutz stehen im Fokus. Die allgemein hohe Zustimmung in allen sozialen Schichten bescheinigt den Nutzen dieser Zielsetzung. Auch bei den Minderheiten des Landes, so etwa bei den Zigeunern, ist die Regierung beliebt. Verbindendes wird aufgegriffen und schafft ein nationales Wir-Gefühl.
Die Philosophie der nationalen Integration ist explizit in der Verfassung verankert. Alle diese Maßnahmen sind Teil des „Systems der Nationalen Zusammenarbeit“. Orbán und seinen Mitstreitern ist es in den vergangenen Jahren gelungen, einen echten historischen Block zu erschaffen. Für die Zukunft gilt es, eine noch höhere Zustimmung zu erzielen und den nationalen Konsens auf ein noch breiteres Fundament zu stellen.